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TIME IS BRAIN

Wiederbeleben - ein Thema für alle!

 
 

Eine Laienreanimation erscheint zunächst vernachlässigbar, gar unwichtig. In Wirklichkeit ist sie aber mindestens genauso wichtig, wie die Arbeit des Rettungdienstes mit zahlreichem Equipment.

Warum?

Das und warum am besten schon jeder Schüler sich damit befassen sollte, das lesen Sie auf dieser Seite

 

Wiederbelebung: Ein kleiner Überblick in Zahlen und Graphen.

 
 
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Oftmals plötzlich…

Ein Herzstillstand (cardiac arrest) kann völlig unerwartet eintreten (mehr oder weniger symptomlos) oder als Begleiterscheinung einer vorhandenen (möglicherweise aber bisher unbekannten) Herzerkrankung. Zu Hause, beim Sport oder unterwegs.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind Spitzenreiter bei den jährlichen Todesursachen. Mit ca. 37% haben sie den höchsten Anteil und belaufen sich auf knapp 350.000 Fälle in Deutschland. Im Verkehr gibt es pro Jahr nur ca. 3.500 Todesopfer - fast noch sicher demgegenüber.

Bei Erwachsenen ist zu ca. 60% eine Herzproblematik die Ursache eines Herzstillstandes, ausgelöst durch ein Kammerflimmern (etwa 80%). Aber auch Atemwegsverlegungen, eine Embolie oder ein Stromschlag können Ursachen sein.

 

Wie oft drücken Ersthelfer?!

Laienreanimationsquote in Deutschland von 2010 bis heute in Prozent. Quelle: GRC/Deutsches Reanimationsregister
Es ist wahrscheinlich, so eine Situation bei einem Freund, Großeltern oder anderen lieben Menschen zu Hause zu erleben!

Wo passiert es?

Orte des Herz-Kreislauf-Stillstandes. Quelle: Deutsches Reanimationsregister, Außerklinische Reanimationen 2021 (Referenzdaten).

Andere machen es vor.

Viele Europäische Länder gehen voran und haben es geschafft, mehr Zeugen und Ersthelfende zu ermutigen und zu trainieren, wiederzubeleben. Bei uns in Deutschland haben wir es von 14% 2010 auf 40% neun Jahre später geschafft. Es heißt daher also dranbleiben und weiter die besten und nachhaltigsten Lernwege und Formate zu untersuchen, um die 60-70% der Norweger zu erreichen.

Die über 50.000 vom Herzstillstand außerhalb des Krankenhauses betroffenen Menschen jedes Jahr in Deutschland und die knapp 300.000 in Europa sollen Antrieb und Motivation dazu sein.

 

Daten für 2021: Deutsches Reanimationsregister (2022).


60.000

Herzstillstände pro Jahr
in Deutschland.



11,1%

der absolut Betroffenen
lebend entlassen.


 

7:04 Min.

bis zum Eintreffen des Rettungs-wagens.



70,2 Jahre

ist das
Durchschnitts-alter.


 

Warum drei Minuten den Unterschied machen. Der Effekt sofortiger Hilfe!

 
 

Sauerstoff: jede einzelne Zelle

Die Funktion des Herzens ist die aktive Beförderung von Blut durch die Gefäße und unseren gesamten Organismus. Kaum zu glauben, jede einzelne Zelle benötigt permanent eines: Sauerstoff! Natürlich auch Nährstoffe und Energielieferanten wie Zucker, Fett- und Aminosäuren (“Proteine”). Sauerstoff ist die Grundlage für die Energiebereitstellung in unserem Körper.

 

“Zeitzünder” im Gehirn

Die Nervenzellen (Neuronen) in unserem Gehirn sind besonders empfindlich gegenüber Sauerstoff- (und Glucose-)-Mangel. Abwesenheit von Sauerstoff wird dort nach wenigen Sekunden registriert. Wir bemerken das: Es folgt Bewusstlosigkeit. Schon nach 3-5 Minuten ist die noch vorhandene Glukose über einen weniger effektiven Stoffwechsel (Glykolyse) abgebaut (siehe Bild unten). Es kommt zu Gewebesterben (Nekrosen).

Der ganze Energiestoffwechsel gerät in Schieflage. Beispielsweise strömt vermehrt Wasser in die Zellen (Wassereinlagerung/Ödem) und es werden Enzyme aktiviert, welche selbstabbauende Prozesse auslösen und einen verzögerten Zelltod einleiten. Es handelt sich dabei jedoch nur um ein Zeitfenster von nur wenigen Minuten, die entscheidend sind. Neuronen lassen sich in der Regel nicht wieder reaktivieren oder reparieren. Einmal weg, immer weg. Dadurch ist das Risiko so groß, dass diejenigen, welche jemals einen eigenen Kreislauf zurückerlangen (2019: 46% in Deutschland), doch dauerhafte neurologische Hirnschäden davontragen müssen.

Jeder kann helfen, das zu verbessern.

Notfallsnitäterteam und Notarzt benötigen zwischen 6 und 15 Minuten zum Einsatzort (Durchschnitt 2019: 6:25 Min. bis 1. Fahrzeug vor Ort, i.d.R. Rettungswagen).

Wenn man sich das nun noch vor Augen hält, ist wertvolle, lebenserhaltende (im engeren) und auch Lebensqualität-erhaltende (im weiteren Sinne) Zeit verloren. Der aus dem Takt geratene Herzrhythmus (Kammerflimemrn) ist nach 8-10 Minuten oftmals bereits einem fehlenden Herzschlag, ohne elektrische Signalweiterleitung im Herzmuskel, gewichen - zu groß die Anstrengung des beständigen “Zittern” ohne vorhandenen Sauerstoff.

 

Die Maßnahme ist einfach.

Eine Herzdruckmassage verteilt einen kleinen Teil des Blutvolumens des Menschen dadurch, dass von außen Gewebe, Knochengerüst des Brustkorbes und Brustbein schnell auf das Herz gedrückt werden und es “auspressen wie eine Zitrone”. Das Blut, das einige Minuten noch eine ausreichend hohe Sauerstoffsättigung besitzt, gelangt dadurch in den Kreislauf und sorgt überbrückend für eine Minimalversorgung. Damit das bis ins Gehirn klappt, darf bloß nicht aufgehört werden. Drücken bis der (Not)Arzt kommt. Klingt einfach oder? Kein Fehlerrisiko, schlimmer wird es nicht werden.

Jede Herzdruckmassage ist besser als keine.
 
Sofortige Laienreanimation durch Notfallzeugen kann das Überleben nach Herzstillstand um das Zwei- bis Vierfache erhöhen.
— Reanimationsleitlinien 2015

Sofort drücken: Was bringts?

Vergleich der Überlebenschance mit Laienreanimation und ohne Laienreanimation. Die Säulen zeigen das um den Faktor x höhere Chancenverhältnis bei durchgeführter Laienreanimation. Quelle: s. Legende.
 
 

Warum in der Schule?

 
 
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Wir wollen jungen Menschen die Angst vor der Anwendung von Wiederbelebungsmaßnahmen nehmen und sie fit für dieses wichtige Thema machen, das jeden von uns angeht [...].
— NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer, Juni 2018

Erreichbarkeit.

Durch die Schulpflicht nehmen alle Schüler aus allen Bevölerungsschichten am Unterricht teil. Dadurch kann eine signifikante Flächendeckung mit trainierten Ersthelfern für die Wiederbelebung erreicht werden - im Gegensatz zu freiwilligen Erste-Hilfe Angeboten.

Alter und Offenheit.

Desto jünger, je weniger Hemmungen hat ein Mensch in seinem Leben aufgebaut. Schüler können daher besonders effektiv, unvoreingenommen und motiviert neue Themen erlernen und an Erwachsene weitergeben. Dies gilt besonders vor der Pubertät (Klassen 5-7). Das erworbene Wissen behalten sie idealerweise ihr ganzes Leben (s. nächster Grund).

Wiederholung.

Durch die Dauer der Schullaufbahn können Schüler*innen ihre Fertigkeiten und Kompetenzen jährlich (min. 2 Schulstunden empfohlen) theoretisch und praktisch wiederholen (Spiralcurriculum). Hinzu kommen bei ausreichenden Gefühl von Handlungssicherheit und Wissenszuwachs bei den Schüler*innen neue Aspekte, etwa Beatmung oder AED-Nutzung, oder andere Methoden wie z.B. Rollenspiele und Teamaufgaben.

 

Kontextualisierung.

Der reguläre Schulunterricht bietet eine hervorragende Basis, um das Wiederbelebungswissen durch verbundene Themen vorzubereiten und zu umrahmen, z.B. im Bereich Humanbiologie, Sportmedizin & Gesundheit oder aber in sozialen Fächern. Das Gelernte kann in Deutsch in verschiedenen Textgattungen verschriftlicht werden, uvm... Interessierte Schüler*innen können später im Schulsanitätsdienst ihr Wissen vertiefend einsetzen und anderen helfen.

Verantwortung stärken.

Schüler*innen müssen Rechte und Pflichten in unserer Gesellschaft erlernen - auch durch die Schule. Das Thema Erste Hilfe und Wiederbelebung ist ein Paradebeispiel, um zu zeigen, dass der aktive Einsatz für andere, um ihnen in Not zu helfen und Leben zu retten, eine Tugend ist. Soziale Verantwortung und Altruismus sollten uns als Menschen auszeichnen.

Die Umsetzung dieser Empfehlung der KMK* ist [...] bisher sehr unterschiedlich weit fortgeschritten...
— Schroeder et al. 2017, Der Anaesthesist 66(8), 589-597.

* 2 Schulstunden Wiederblebungsunterricht pro Jahr ab Jahrgang sieben

 

Reanimationsunterricht: Wie kann das aussehen, worauf kommt es an?

 
 

WIEDERBELEBUNG ALS "SPIRALE": EIN INTEGRATIVER VORSCHLAG.

In den Fächern Biologie und Sport finden sich curriculare Vernetzungspunkte, in die sich das Thema Erste-Hilfe/Wiederbelebung einbinden ließe. Weitergehende Angebote (z.B. Projekttage, Schulsanitätsdienst-
AG, Mentoren/Tutoren-Prinzip ('peer-learning/Schüler-
helfen-Schülern') ergänzen reguläre Unterrichtssequenzen für besonders engagierte Schüler*innen.

Erkenntnisse aus der bisherigen Forschung

Einstieg & Alter

Für jüngere Schülerinnen und Schüler hat sich im Praktischen, bei kurzen Unterrichtseinheiten, einen für (Schul)kinder angepassten Algorithmus etabliert und als sinnvoll erwiesen (vgl. “Prüfen - Rufen - Drücken").

Die Frage des richtigen Einstiegsalters ist auch hinsichtlich
motivationaler und pubertätsbedingter Entwicklungen nicht abschließend diskutiert. Schon bei jüngeren Schülerinnen und Schülern deuten Studien darauf hin - trotz gerinerer körperlicher Kraft bei der Druckmassage, dass die wiederholten Übungen vor der Pubertät einen Langzeitlerneffekt mit sich bringen. Jungere Lernende haben sich offener und interessierter gegenüber dem Thema gezeigt. Dieser Effekt korrespondiert mit dem allgemeinen Interessenverfall in der Sek. II. bspw. in naturwissenschaftlichen Fächern. Empfohlen wird ein Einstiegstalter ab 12 oder 13 Jahren, je nach Studie.

Geschlechtseffekte?

Es bestehen laut einigen Studien Geschlechterunterschiede in Bezug auf Reanimationsunterricht.

Insbesondere Jungen erreichen häufiger als Mädchen höhere bzw. den Leitlinien
entsprechende Drucktiefen (>5,0 cm). Sie vertrauen ebenso häufiger auf ihre Wiederbelebungsleistung. Mädchen andererseits sind motivierter darin, Wiederbelebung oder Erste-Hilfe zu erlernen und geben ihr Wissen öfter und an mehr Personen weiter („Multiplikatorinnen-Effekt“). Unzweifelhaft erzielen aber sowohl Jungen als auch Mädchen durch Trainings und Reanimationsbezogene Unterrichtsstunden besser praktische und theoretische Leistungen sowie eine verbesserte Selbstaufaasung Ihrer Fähigkeiten. Dazu stehen allerdings weitere Auswertungen aus.

face-to-face oder digital?

Über den Einsatz von Medien für den Unterricht gibt es bisher wenig Erkenntnisse.
Praktisches Training inklusive Übung des Notrufs, des Öffnens der Atemwege, Prüfens der Atmung und Durchführung von Thoraxkompressionen (=Herzdruckmassage) ist im Allgemeinen effektiver als ausschließlich theoretischer Unterricht oder ein auf Onlinevideos oder Computerprogrammen basierender
Wissenserwerb. Jedoch sind nicht immer Videos von Vorteil, besonders wenn es um wichtige und genaue Handgriffe geht.
Es gibt weiterhin Hinweise, dass inesbesondere Feedback (z.B. über Apps) und Reflexionsmethoden als sehr substanziell erweisen, um positive Erfahrungen und eine bessere Selbsteinschätzung zu bewirken.

Inwiefern sich verschiedene (fächerübergreifende) Unterrichtsinhalte und Arbeitsweisen, abgesehen von methodischen Differenzen unterscheiden, ist bisher kaum genau untersucht.

 
 

Unser Workshop- und Fortbildungsangbot

 
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